Forschungsprojekt: Geschichte der Ministerpräsidentenkonferenz

Sitzung der Ministerpräsidentenkonferenz am 8.2.1968 in der Landesvertretung Nordrhein-Westfalen in…

Sitzung der Ministerpräsidentenkonferenz am 8.2.1968 in der Landesvertretung Nordrhein-Westfalen in Bonn, links sitzend Ministerpräsident Alfons Goppel, Bayern (Foto Bundesarchiv, B 145 Bild F026353-0004/Fotograf Detlef Gräfingholt).
PD Dr. Ariane Leendertz
Föderalismus, oder: Wie werden wir eigentlich regiert? Die Ministerpräsidentenkonferenz in der Geschichte der Bundesrepublik 1954 – 2006 (gefördert von der Fritz Thyssen Stiftung 2021-2025)
Arbeits- und Interessenschwerpunkte
- Deutsche, US-amerikanische und europäische Geschichte des langen 20. Jahrhunderts
- Ideen-, Wissenschafts- und Politikgeschichte
- Internationale Geschichte
- Föderalismusgeschichte
- Neoliberalismus
- Interdisziplinäre Perspektiven
- Gegenwartsgeschichte
Kurzvita
seit 1/2020 Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, München
2022-2023 Vertretung der Professur für Neuere und Neueste Geschichte, LMU München
2018-2019 Junior Fellow, Historisches Kolleg, München
2014-2019 Forschungsgruppenleiterin, Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, Köln
2013-2018 Lehrbeauftragte, Historisches Institut, Universität zu Köln
2012-2014 Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, Köln
2010 Gastwissenschaftlerin, German Historical Institute, Washington DC
2009-2010 Gastwissenschaftlerin, Department of History, Princeton University
2008-2011 Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Amerika-Institut, LMU München
2003-2006 Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Seminar für Zeitgeschichte, Universität Tübingen
2021 Habilitation und Venia Legendi für Neuere und Neueste Geschichte, Universität zu Köln
2006 Dr. phil. (summa cum laude), Universität Tübingen
2002 M.A. (sehr gut), Universität Tübingen
1996-2002 Studium der Neueren Geschichte und Romanischen Philologie in Tübingen und Florenz
Monographien
Der erschöpfte Staat. Eine andere Geschichte des Neoliberalismus (Hamburg: Hamburger Edition, 2022).
Die pragmatische Wende. Die Max-Planck-Gesellschaft und die Sozialwissenschaften 1975 – 1985 (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2010).
Ordnung schaffen. Deutsche Raumplanung im 20. Jahrhundert (Göttingen: Wallstein Verlag, 2008).
Herausgeberschaften
Ordnung und Fragilität des Sozialen. Renate Mayntz im Gespräch (mit Uwe Schimank) (Frankfurt a.M.: Campus, 2019).
Die neue Wirklichkeit. Semantische Neuvermessungen und Politik seit den 1970er Jahren (mit Wencke Meteling) (Frankfurt a.M.: Campus, 2016).
Aufsätze in Fachzeitschriften
Außenpolitik nach dem Strukturbruch. Das 1980s Project und die Grundlegung der Global Governance, in: Geschichte und Gesellschaft 49:3 (2023), S. 434-463.
Verbundföderalismus schlägt Wettbewerbsföderalismus. Vom Scheitern neoliberaler Reformen im vereinten Deutschland, in: Jahrbuch Deutsche Einheit 3 (2022), S. 91-113.
Zersetzung von innen: Ronald Reagan und die Zerstörung staatlicher Institutionen, in: Mittelweg 36 31:3 (2022), S. 63-87.
Die Macht des Wettbewerbs: Die Max-Planck-Gesellschaft und die Ökonomisierung der Wissenschaft seit den 1990er Jahren, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 70:2 (2022), S. 235-271.
Ideen und Institutionen im Wandel von Staatlichkeit: Theoretische und empirische Zugänge in zeithistorischer Perspektive, in: Der Staat 60:4 (2021), S. 653-675.
A View From Abroad: Post-1968 U.S. History, the End of the New Deal Order, and Neoliberalism, in: Reviews in American History 49:4 (2021), S. 633-648.
Wettbewerbsorientierung und Flexibilisierung in der Wissenschaft. Eine gegenwarts-geschichtliche Perspektive, in: Merkur 75 (Sept. 2021), S. 43-54.
Amerikanische Policy-Forschung, Komplexität und die Krise des Regierens: Zur gesellschaftlichen Einbettung sozialwissenschaftlicher Begriffsbildung, in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 42:1 (2019), S. 43-63.
Zeitbögen, Neoliberalismus und das Ende des Westens, oder: Wie kann man die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts schreiben?, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 65:2 (2017), S. 191-217.
Medialisierung der Wissenschaft: Die öffentliche Kommunikation der Max-Planck-Gesellschaft und der Fall Starnberg (1969-1981), in: Geschichte und Gesellschaft 40:4 (2014), S. 555-590.
Ungunst des Augenblicks. Das MPI zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaftlich-technischen Welt in Starnberg, in: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft 3:1 (2014), S. 105-116.
»Finalisierung der Wissenschaft«: Wissenschaftstheorie in den politischen Deutungskämpfen der Bonner Republik, in: Mittelweg 36 22:4 (2013), S. 93-121.
Vom Anfang und Ende einer wissenschaftlich-administrativen Mission: Nationalstaatliche Raumordnungspolitik in Deutschland 1935 bis 1975, in: Archiv für Sozialgeschichte 50 (2010), S. 69-107.
Aufsätze in Sammelbänden
Die Ministerpräsidentenkonferenz als Selbstbehauptungsorgan der Länder und bundespolitischer Akteur, in: Andreas Wirsching / Lars Lehmann (Hg.), Nationalstaat und Föderalismus. Zum Wandel deutscher Staatlichkeit seit 1871 (Frankfurt / New York: Campus, 2024), S. 191-213.
Toward a new diplomatic history of transatlantic relations: America, Europe, and the crises of the 1970s, in: Susanne Lachenicht / Charlotte Lerg / Michael Kimmage (Hg.), The Transatlantic Reconsidered: The Atlantic world in crisis (Manchester: Manchester UP, 2018), S. 120-138.
Bezeichnungsrevolutionen, Bedeutungsverschiebungen und Politik: Zur Einleitung (mit Wencke Meteling), in: Ariane Leendertz / Wencke Meteling (Hg.), Die neue Wirklichkeit. Semantische Neuvermessungen und Politik seit den 1970er Jahren (Frankfurt a.M.: Campus, 2016), S. 9-29.
Das Komplexitätssyndrom. Gesellschaftliche Komplexität als intellektuelle und politische Herausforderung, in: Ariane Leendertz / Wencke Meteling (Hg.), Die neue Wirklichkeit. Semantische Neuvermessungen und Politik seit den 1970er Jahren (Frankfurt a.M.: Campus, 2016), S. 89-127. [gekürzte Fassung des gleichnamigen DP]
Ein gescheitertes Experiment. Carl Friedrich von Weizsäcker, Jürgen Habermas und die Max-Planck-Gesellschaft, in: Klaus Hentschel / Dieter Hoffmann (Hg.), Carl Friedrich von Weizsäcker – Physik, Philosophie, Friedensforschung (Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 2014), S. 243-262.
Die Politik der Entpolitisierung. Die Max-Planck-Gesellschaft und die Sozialwissenschaften in Starnberg und Köln, in: Dieter Hoffmann / Birgit Kolboske / Jürgen Renn (Hg.), »Dem Anwenden muss das Erkennen vorausgehen«. Auf dem Weg zu einer Geschichte der Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft (Berlin: Edition Open Access, 2014), S. 261-280.
Interdependenz, Krisenbewusstsein und der Beginn eines neuen Zeitalters. Die USA und die Neuverortung der transatlantischen Beziehungen in den 1970er Jahren, in: Frank Bösch / Peter Hoeres (Hg.), Außenpolitik im Medienzeitalter. Vom späten 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart (Göttingen: Wallstein, 2013), S. 232-250.
Experten – Dynamiken zwischen Wissenschaft und Politik, in: Christiane Reinecke / Thomas Mergel (Hg.), Das Soziale ordnen. Sozialwissenschaften und gesellschaftliche Ungleichheit im 20. Jahrhundert (Frankfurt a.M.: Campus, 2012), S. 337-369.
Ordnung, Ausgleich, Harmonie. Koordinaten raumplanerischen Denkens in Deutschland 1920 bis 1970, in: Thomas Etzemüller (Hg.), Die Ordnung der Moderne. Social engineering im 20. Jahrhundert (Bielefeld: transcript Verlag, 2009), S. 129-150.
Raumforschung, Raumplanung und NS-Vergangenheit. Forschungsstand, Deutungen, Kontinuitäten, in: Heinrich Mäding / Wendelin Strubelt (Hg.), Vom Dritten Reich zur Bundesrepublik. Beiträge einer Tagung zur Geschichte von Raumforschung und Raumplanung (Hannover: Akademie für Raumforschung und Landesplanung, 2009), S. 21-38.
Der Gedanke des Ausgleichs und die Ursprünge des Leitbildes der ‚gleichwertigen Lebensbedingungen’, in: Heinrich Mäding / Wendelin Strubelt (Hg.), Vom Dritten Reich zur Bundesrepublik. Beiträge einer Tagung zur Geschichte von Raumforschung und Raumplanung (Hannover: Akademie für Raumforschung und Landesplanung, 2009), S. 210-225.
Discussion Papers und Online-Publikationen
Wissenschaftler auf Zeit. Die Durchsetzung der Personalpolitik der Befristung in der Max-Planck-Gesellschaft seit den 1970er Jahren. MPIfG Discussion Paper 20/15 (2020).
US-Außenminister John Kerry und der Krieg. Essay über biographische Kontinuität und amerikanische Politik, in: Zeitgeschichte online (Mai 2016 – Jan. 2017)
Teil 1: John Kerry und der 22. April 1971.
Teil 2: Kriegserfahrung und politisches Handeln 1985 – 2002.
Teil 3: Präsidentschaftskandidat und Chefdiplomat der USA 2002 – 2017.
Das Komplexitätssyndrom: Gesellschaftliche Komplexität als intellektuelle und politische Herausforderung in den 1970er Jahren. MPIfG Discussion Paper 15/7 (2015).
Schlagwort, Prognostik oder Utopie? Daniel Bell über Wissen und Politik in der „postindustriellen Gesellschaft“, in: Zeithistorische Forschungen / Studies in Contemporary History 9:1 (2012), S. 161-167.
Der Generalplan Ost vom Juni 1942, in: 100(0) Schlüsseldokumente zur deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert.
Projektbeschreibung
In der Hochzeit der Coronakrise 2020/21 stand die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) urplötzlich im Zentrum der öffentlich-medialen Aufmerksamkeit. Gleichwohl existiert die Ministerpräsidentenkonferenz bereits seit 1954. Schon in den 1960er Jahren stieg sie zu einem bundespolitischen Akteur mit nationaler Reichweite auf. Zum einen diente sie der freiwilligen Koordination der Landesregierungen in bald nahezu allen Bereichen der Länderzuständigkeiten. Zum anderen stimmten die Ministerpräsidenten hier gemeinsame Positionen gegenüber dem Bund ab. Auch regelmäßige Besprechungen der Ministerpräsidenten mit dem Bundeskanzler wurden in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre zu einer festen Routine.
Bei diesem Forschungsprojekt handelt es sich um die erste historische Studie zur MPK. Sie arbeitet heraus, wie sich die MPK von 1954 an als zentrales Organ der Zusammenarbeit zwischen den Ländern etablierte und wie sie zu einem bis heute einflussreichen politischen Akteur aufstieg. Untersucht wird, wie sich die MPK konstituierte, welche Routinen, Rituale, Konventionen und Praktiken sie über die Zeit entwickelte, womit sie sich befasste und wie sie zu einem zentralen Knotenpunkt politischer Entscheidungs- und Aushandlungsprozesse im deutschen Bundesstaat wurde.
Ohne Berücksichtigung der föderalen Handlungsarenen und Akteure wie der MPK können wir letztlich nicht verstehen, wie Regieren und Politik in der Bundesrepublik eigentlich funktionieren. So wirkte die MPK an zahlreichen Entscheidungen mit, die die wirtschaftliche, soziale und politische Ordnung der Bundesrepublik prägten: seien es die Reformpolitik der 1960er-Jahre, die deutsche Einheit oder politische Reformen im vereinigten Deutschland der 1990er- und frühen 2000er-Jahre. Gleichzeitig gibt uns die MPK als Verkörperung der deutschen Spielart des Föderalismus Aufschlüsse über besondere Kennzeichen der politischen Kultur: Anders, als beispielsweise in den USA, genießen bundeseinheitliche Regelungen, die Mitsprache der Bürokratie, politische Kompromisse und die Suche nach Konsens hierzulande einen hohen Stellenwert. Das Projekt eröffnet damit neue Perspektiven auf die politische Geschichte der Bundesrepublik und die politische Kultur in Deutschland.